Mit Faust und Verstand
- oder "Pi mal Daumen"

Viele Bereiche des täglichen Lebens sind mit Mathematik behaftet, aber um sich das Leben etwas leichter zu machen, ist man nicht immer an exakten Zahlenwerten interessiert. In der Schule werden Kenntnisse im Überschlagsrechnen vermittelt, bevor man eine exakte Lösung ausrechnet.
Im täglichen Berufsleben oder in der Fahrschule wird man mit solchen mathematischen Approximationen (Annäherungen) konfrontiert. Oft werden sie als FAUSTFORMEL bezeichnet. In der rechten Abbildung können Sie die Faustformel zur Berechnung des Anhalteweges, bzw. des Reaktionsweges und des Bremsweges "erfahren", wenn Sie am grünen Punkt ziehen. Sie können auch rechnen und vergleichen.

Nur eins kann diese Darstellung nicht: Ihnen erklären, warum diese Faustformel existiert und funktioniert. Interessiert? Dann sollten Sie weiterlesen.

Es stellen sich zunächst die Fragen:

Warum erst durch 10 teilen und dann mit 3 multiplizieren? (Reaktionsweg)
Warum muss durch 10 dividiert werden und
warum wird quadriert? (Bremsweg)

 
 

Reaktionsweg

Die Geschwindigkeit im Tachometer wird in Kilometer pro Stunde angegeben. Um die Momentangeschwindigkeit von Kilometer pro Stunde in Meter pro Sekunde umzurechnen, benutzt man die Gleichungskette rechts.

Das Ausführen der Division ergibt als Dezimalzahl 0,27... . Diese Zahl wird Umrechnungsfaktor genannt. Die Bezeichnung Faktor zeigt, dass multipliziert werden muss.

Um also eine Geschwindigkeit von Kilometer pro Stunde in Meter pro Sekunde umzurechnen, muss die angezeigte Geschwindigkeit im Tachometer mit 0,27 ... multipliziert werden. Links steht eine Rundung dieses Wertes, wodurch die Faustformel verständlich wird.

Bremsweg

Bremsen ist eine Veränderung der Geschwindigkeit pro Zeit. Sie kennen diesen Begriff intuitiv als Beschleunigung, wenn Sie mit dem Auto langsam anfahren und immer schneller werden. Auch hier ändert sich die Geschwindigkeit pro Zeit. Um zu unterscheiden, ob eine Geschwindigkeitszunahme oder   
-abnahme vorliegt , wird die Bremsbeschleunigung mit aB bezeichnet, alle anderen Beschleunigungen mit a
(lat. acceleration).

Sie sehen links eine Umformulierung der Beschleunigung. In der Gleichungskette bedeuten:
v = Geschwindigkeit (lat. velocitas)
a = Beschleunigung
t = Zeit (lat. tempus)
Aus dieser Umformung lässt sich als Einheit für die Beschleunigung festhalten:
1 Meter pro Quadratsekunde  (1 m/s²)

Diese Gleichung beschreibt die Berechnung des Bremsweges sB ausgehend von einer Momentangeschwindigkeit v bis zum Wert v = 0. Die Bremsbeschleunigung aB ist von der Bodenbeschaffenheit und dem Reifenprofil abhängig. Als mittleren Wert kann man aB mit
5 m/s² annehmen. Durch Einsetzen erhält man:
und mit der Umrechnung von Kilometer pro Stunde auf
Meter pro Sekunde
Durch die Verwendung des Umrechnungsfaktors 0,3 statt 0,27... und der mittleren Bremsbeschleunigung  ist natürlich das Gleichheitszeichen nicht wirklich richtig, es handelt sich um eine Näherung. Im nächsten Schritt wird noch gekürzt und die Faustformel ist fertig.

Die Ableitung von Faustformeln ist manchmal schwierig, so wie im gezeigten Beispiel, aber vielleicht kennen Sie ja auch andere Faustformeln. Schreiben Sie mir doch Ihre Formeln aus Ihrer Arbeitswelt, Schule oder die die Sie selbst entwickelt haben.